Beschissene Arbeiten

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Wieder und wieder und wieder und wieder wird wiederholt, dass sich Leistung wieder lohnen muss. Doch was ist Leistung? Physikalisch ist Leistung Arbeit [1] pro Zeit. Aber woran erkennen wir gute Arbeit?

Gute Arbeit gewährt dir Freiheiten und Handlungsoptionen. Sie sind verständlich, sie sind bewältigbar und sie sind sinnvoll. Gute Arbeit schützt ebenfalls die Gesundheit [2]. Dem entsprechend sind schlechte Arbeiten, Tätigkeiten, welche eintönig sind und keine Kreativität erfordern. Es ist stumpfe Arbeiten, die unter Umständen noch durch Ekel oder schwere körperliche Arbeit zusätzlich belasten. Selbst in der Freizeit strahlt der Beruf noch ab [3]. Menschen, die eher fremdbestimmte Tätigkeiten ausüben, auch in ihrer Freizeit eher passiv und fremdbestimmt verhalten [4]. Konflikte und Überforderung überlagert die Qualität von Partnerschaften und wirkt sich negativ aus auf die schulischen Leistungen der Kinder [5].

Paradoxerweise wird gute Arbeit zusätzlich noch besonders gut bezahlt und schlechte Arbeit wird schlecht bezahlt. Verknüpft mit dem Gehalt ist ebenfalls das Ansehen. Ist dir schon aufgefallen, dass wir von einer Finanzelite sprechen, aber nicht von einer Reinigungskraftelite? Menschen, welche fremde Klos putzen, tun das aktuell einfach nur aus dem Zwang heraus, dass sie sonst verhungern würden oder durch das Arbeitsamt sanktioniert werden. Wenn du eine sinnstiftende Tätigkeit ausübst, dann ist die Arbeit an sich schon Lohn genug [6]. Millionäre und Milliardäre hören oft nicht auf mit ihrer Arbeit, auch wenn  sie es finanziell gar nicht mehr nötig haben.

Diesen offenen Widerspruch sollten wir durchschlagen. Wir brauchen ein System, dass auf Freiwilligkeit beruht. Möglich wäre das mit einem Grundeinkommen [7]. Doch dann wirst du dich fragen, wer dann diese Tätigkeiten macht, die heute als minderwertig gelten. Wer wird dann noch fremde Klos putzen? Solche Fragen sind menschenverachtend bestialisch, weil es dich über andere erhebt. Wer bist du, dass du dir solche Rechte nimmst? Solltest du dich jetzt auf Praktizismus berufst, dann offenbarst du auf ekelhafte Weise dein Menschenbild. Wir könnten diese unangenehmen Tätigkeiten auch angenehmer gestalten. Diese Tätigkeiten könnten bessere Schutzausrüstung bekommen, dass sie den Gestank nicht wahrnehmen müssen. Wir könnten ihnen mehr Geld zahlen als Art Schmerzensgeld und Anerkennung, dass wir diese Tätigkeiten eben brauchen und daher bereit sind höhere Preise dafür zu zahlen. Denkbar wären auch andere Privilegien wie mehr Urlaub oder mehr Freizeit bei vollem Lohnausgleich. Wenn die Arbeit immer noch unangenehm ist, dann muss wenigstens so viel Geld gegeben werden, dass sich die Personen mit diesen Tätigkeiten wenigstens eine angenehme Freizeit finanzieren können. Auch das Arbeiten als Paketzulieferer bietet keine Freiheiten. Du musst schwere und große Pakete schleppen und der Mindestlohn wird durch Scheinselbstständigkeit unterschritten [8]. Dazu musst du ständig aufpassen, wie du parkst und wieder losfährst, dass du nicht selbst überfahren wirst oder jemanden abfährst. Und am Ende fährst du Tag ein und Tag aus immer wieder die gleiche Strecke in der vorgegebenen Richtung. Diese Roboten könnte eine Maschine übernehmen, aber du bist einfach billiger. Wer befürchtet, dass Menschen bei einem Grundeinkommen nicht arbeiten, meint eigentlich, dass Menschen keine beschissenen Tätigkeiten zu Niedrigstlöhnen annehmen werden, wenn der Zwang wegfällt

Gute Arbeit sollten wir also in zwei Dimensionen denken. Auf der einen Dimension ist der Grad der Freiheit, welche dir während der Ausübung der Tätigkeit eingeräumt wird. Deine Entscheidungen haben Auswirkungen und du fühlst dich wichtig. Du fühlst dich gebraucht. Auf der anderen Dimension ist die Entlohnung. Je besser das Gehalt, desto mehr Anerkennung und desto besser die Freizeitgestaltungsmöglichkeiten. Wichtig wäre, dass wir in einer utopischen Gesellschaft beide Dimensionen entkoppeln. Wer eine angenehme Arbeit hat, der braucht nicht noch zusätzlich einen guten Lohn. Wir müssen Arbeit und Leistung neu denken.

Weitere Informationen

[1] https://uberlaufer.wordpress.com/2020/12/17/was-ist-arbeit/

[2] https://uberlaufer.wordpress.com/2020/11/16/mehr-als-abwesenheit-von-krankheit/

[3] https://uberlaufer.wordpress.com/2020/11/21/der-lange-arm-der-arbeit/

[4] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/j.1468-232X.1971.tb00023.x

[5] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/j.1467-8543.2006.00524_8.x

[6] https://uberlaufer.wordpress.com/2020/10/17/latente-funktionen-von-erwarbsarbeit/

[7] https://uberlaufer.wordpress.com/2020/05/13/schritte-in-die-freiheit/

[8] https://www.youtube.com/watch?v=T4_LIxijbi8

Veröffentlicht von Überläufer

Jeden Tag um 17.00 wagt sich das Überläuferli wieder auf das Nussbaumparkett der Dekadenz. Wenn ihr tanzen wollt, zieht eure Schlittschuhe aus und genießt.

9 Kommentare zu „Beschissene Arbeiten

  1. Es ist ja im Prinzip ganz einfach. Mit dem Grundeinkommen kann sich jede*r seinen Job aussuchen. Der Lohn ist ja kein Ersatz des Grundeinkommens, sondern den gibt es zusätzlich. Wer also Menschen dazu bringen will, Toiletten zu putzen, und diese Menschen nicht dazu zwingen kann, der muss sie eben belohnen – durch entsprechende Bezahlung und/oder andere Extras. Ansonsten schrubbe er bitteschön selbst. Wie er auch alles andere selbst erledigen muss, was er nicht anständig zu bezahlen vermag oder willens ist😄

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