Exponentiell mehr Fahrvergnügen

Vor Corona lag das Wirtschaftswachstum weltweit bei etwa drei Prozent pro Jahr. Was zunächst wenig klingt, wird deutlicher, wenn wir einen überschaubareren Zeitraum anschauen. Nach einer Generation, also nach 25 Jahren hat sich die Wirtschaftsleistung verdoppelt. Kalibriert auf unsere Denkmuster, die uns eingetrichtert werden in Schule und Medien, klingt auch selbst das noch äußerst positiv. Mehr Wohlstand wird für viele Menschen auch mit mehr Glück gleichgesetzt.

Paradox wird es allerdings, dass trotz steigender Prokopfeinkommen in den letzten 50 Jahren, die Zufriedenheit sogar leicht abnimmt [1]. Trotz einer Vervierfachung des Wohlstandes hatten die Menschen nicht mehr Glück erlebt. Oft übersehen wir den Grenznutzen von weiterem Konsum [2]. Über den ersten Porsche wirst du dich deutlich mehr freuen als über den dritten [3]. Du gewöhnst dich an deinen Status und ziehst keinen Glücksgewinn mehr daraus [4].

Der Preis an der erhöhte wirtschaftlichen Leistung trägt die Umwelt. Wenn beispielsweise mehr Autos herumfahren, dann verbrauchen sie mehr Ressourcen und die Straßen werden voller. Es ist keine Lösung immer mehr Straßen zu bauen, denn schon jetzt sind die Großstädte ausgelastet. Links und rechts stehen Häuser und unten verläuft die U-Bahn. Auch in der Provinz würde eine Verbreiterung von Autobahnen Biotope zerstören. Dennoch bleibt das Ziel vieler Betriebswirte und damit auch der Politiker ständiges Wachstum. Volkswagen verspricht seinen Anlegern ein Wachstum von sieben Prozent pro Jahr [5]. Das würde eine Steigerung innerhalb einer Generation bedeuten von 442%. In Deutschland gibt es jetzt aktuell 569 Autos pro tausend Einwohner [6]. Ein Wachstum von sieben Prozent würde bedeuten, dass nach 25 Jahren jeder Einwohner im Schnitt drei Autos hätte. Natürlich gibt es noch andere Richtungen, in die das Wachstum gehen könnte, denn mehr als ein Auto pro Person ist nicht sinnvoll. Auch die Rohstoffkosten und die Lohnkosten können auf Dauer nicht immer weiter gesenkt werden. Stattdessen könnte Volkswagen versuchen den anderen Autoherstellern die Marktanteile abzujagen. Das würde bedeuten, dass das Kapital sich auf immer weniger Menschen konzentriert. Damit würde auch die Marktmacht steigen. Autohersteller könnten dann noch stärker die Politik erpressen, dass umweltfreundlichere Politik deutsche Arbeitsplätze gefährden würde. Generell wird das Arbeitsplatzargument oft verwendet, um auf die Alternativlosigkeit hinzuweisen.

Betrachten wir noch das Beispiel des Wolfsburger Autobauers. Wenn die Zahl der Autobesitzer also stagniert, dann muss die Haltbarkeit von Autos reduziert werden. Jedes Jahr müsste die Haltbarkeit von Autos um sieben Prozent sinken, um das dauerhafte Wachstum von sieben Prozent aufrecht zu erhalten. Autos werden heute durchschnittlich zwölf Jahre gefahren [7] bevor sie verschrottet werden. Wenn die Autos also jedes Jahr sieben Prozent früher verschrottet werden, dann wäre nach 25 Jahren die durchschnittliche Fahrzeit knapp 2 Jahre. Für unsere Enkelkinder würde das bedeuten, dass sie sich alle 4 Monate ein neues Auto kaufen müssten.

Es wird deutlich, dass wir eine neue Form von Wirtschaften brauchen. Wachstum wird zwar bei unserer aktuellen Ideologie [8] als unerlässlich betrachtet, um die Schulden und den Zinseszins zurückzuzahlen, aber wir werden offenbar nicht glücklicher, während der Planet nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung hat. Wie könnten wir künftig nachhaltig wirtschaften, um unseren Planeten zu erhalten? Wie können wir nachhaltig glücklich werden?

Weitere Informationen

[1] https://www.uvm.edu/pdodds/research/papers/others/2001/easterlin2001a.pdf

[2] https://uberlaufer.wordpress.com/2020/09/14/hurra-mein-dritter-porsche/

[3] https://www.springer.com/de/book/9783658033668  Kapitel 5.3

[4] https://uberlaufer.wordpress.com/2020/08/19/gummiband-des-glucks/

[5] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/boerse/volkswagen-gewinne-101.html

[6] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/09/PD20_N055_461.html

[7] https://www.n-tv.de/auto/Zwoelf-Jahre-im-Schnitt-article247390.html

[8] https://uberlaufer.wordpress.com/2020/06/29/glaubensbekenntnis/

Veröffentlicht von Überläufer

Jeden Tag um 17.00 wagt sich das Überläuferli wieder auf das Nussbaumparkett der Dekadenz. Wenn ihr tanzen wollt, zieht eure Schlittschuhe aus und genießt.

8 Kommentare zu „Exponentiell mehr Fahrvergnügen

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