Denken und Sprache sind sehr eng miteinander verknüpft. Zu fragen, was zuerst da war, ähnelt der philosophischen Frage, ob es zuerst das Ei oder die Henne gab. Oft hören wir uns im Kopf leise reden, wenn wir denken. Wenn ich dich frage, wie du deine Dusche einstellst, dann wirst du vermutlich ein Bild im Kopf haben, wie du das tust und nicht gleich an die Wörter links oder rechts denken [1].
Whorf stellte die Hypothese um 1954 auf, dass verschiedene Sprachen zu verschiedenen Realitäten führen. Als Beispiel zeigte er, dass für Navajo-Indianer die Form von Objekten eine sehr viel größere Bedeutung haben als für Durchschnittsamerikaner. Er begründete das mit ihrer Sprache. Allerdings gibt es heute auch Belege, die seine Vermutung des linguistischen Determinismus widersprechen [1].
Wer nur einsprachig aufgewachsen ist, wird die Vorherbestimmung der Sprache nicht nachvollziehen können, aber zweisprachig aufgewachsene Menschen, berichten, dass sie in beiden Sprachen eine andere Persönlichkeit haben [2]. Auch in Experimenten konnte diese Selbstwahrnehmungen bestätigt werden. Chinesen, die in den USA eingewandert waren, zeigten je nach verwendeter Sprache im Test verschiedene Persönlichkeitsmerkmale [3]. In einer anderen Studie konnte nachgewiesen werden, dass chinesisch stämmige Kanadier sich auf Englisch eher als selbstbewusst mit einem positiven Lebensgefühl. Wenn sie sich auf Chinesisch charakterisierten, dann war dies eher im Einklang mit den chinesischen Wertvorstellungen, welche eher geprägt waren von einem ausgewogeneren Verhältnis von einem positiven und negativen Selbstbild [4]. Wer eine Sprache lernt, lernt gleichzeitig die kulturellen Besonderheiten [1].
Das besondere an der deutschen Sprache ist, dass gegendert werden kann. Wenn du beispielsweise einen Text liest, dass ein angehender Arzt, wenn er schwanger wird, sein Praktikum im Krankenhaus selbstverständlich wiederholen kann, wie fühlst du dich? Stören dich die Personalpronomen? Mittlerweile gibt es im deutschen Sprachraum viele Möglichkeiten zu gendern. Einige Autoren verzichten ganz darauf, weil es durch ein reduziertes Signal-Rauschen-Verhältnis das Verständnis reduziert. Studien konnten zeigen, dass Menschen, wenn das Generisches Maskulinum überwiegend sich Männer vorstellen. Bei der Verwendung des Binnen-I wie bei LehrerIn hingegen denken die Menschen eher an Frauen. Nur wenn tatsächlich beide Formen ausgeschrieben und mit einem Schrägstrich getrennt werden, ist das Geschlechterverhältnis gleich [5]. In der Studie sollten 150 Probanden unter dem Vorwand ihre Kreativität zu prüfen Sätze schreiben und die Personen benennen.
Die Frage, die sich stellt, ist, ob tatsächlich die Möglichkeit die Menschen aufgrund ihres Geschlechts unterschiedlich zu betiteln zu diesen Ergebnissen führt, oder dazu, dass die meisten höherwertigen Positionen in unserer Gesellschaft eher von Männern besetzt werden. Dazu würde ich eine ähnliche Studie durchführen nur, dass die Probanden dann kurze Sätze in der englischen Sprache verfassen. Würden dann wieder Männer bevorzugt gewählt, dann würde es bedeuten, dass es eher die Machtstrukturen sind, welche uns eher an Männer denken lassen, wenn wir Bäcker lesen anstatt der Gewohnheit, dass viele unter Bäcker sich einen Mann in weißen Klamotten vorstellen [6], der den Teig knetet und ihn mit einem Holzschieber in den Ofen schiebt. Doch inwieweit stimmt dieses idealisierte Bild denn noch mit der Realität überein?
Weitere Informationen
[1] https://www.springer.com/de/book/9783642407819 Kapitel 10
[2] https://psycnet.apa.org/record/1994-97031-000
[3] https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/0022022112443413
[4] https://www.researchgate.net/publication/247746730_Language_and_the_Bicultural_Self
[6] https://uberlaufer.wordpress.com/2020/03/31/die-griffeln-aus-der-hosentasche/
Hallo Johanna
Ich hab mir noch nicht viele Gedanken darüber gemacht, ob ich in der anderen
Sprache die ich gut spreche (ich kann nur englisch noch ganz gut) andere
Wesenszüge zeige. Grundsätzlich würde ich annehmen, daß ich mich im
englischen einfacher und naiver ausdrücken würde, da dort aus Wissensgründen
mein Wortschatz lange nicht so groß ist, als in deutsch.
Das andere Thema ist das gendern; ich sehe es gerne als eine neumodische
Spielart der Sprache. Klar ist natürlich, daß man sich in Gendersprache
geschlechtsneutraler ausdrückt; daß man sich ungenderhaft aber männlicher
ausdrückt, erscheint mir nicht so plausibel.
Letztendlich ist die Wortwahl ja wirklich eine Wahlmöglichkeit des Einzelnen.
Er muß ja nicht sagen, ich gehe jetzt zum Bäcker; denn er kann ja eben auch
sagen: Ich gehe in DIE Bäckerei oder in DIE Konditorei; oder neutral in EIN
Fachgeschäft zum Brötchenkaufen.
Ist schon interessant mit unserer Sprache….
Es grüßt mal wieder herzlich, der Roland
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Ja, deutsch und englisch sind ja auch sehr verwandt die Sprachen und die Kulturen. Da weiß ich nicht, ob man da so einen großen Effekt finden kann.
Bezüglich des Genders finde ich es auch überflüssig, weil ich die Genitalien nur als Anhängsel begreife. Ich gehe durch die Welt und suche Verbundenheit.
Es freut mich dich wieder zu lesen.
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Interessanter Artikel!
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